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Mein jüngster Sohn liebt Brause.
Sollte aber Ritalin nehmen.
So der Vorschlag einer Ärztin, als er im Grundschulalter eine von vielen Untersuchungen hinter sich gebracht hatte. Man könne ja zumindest einmal ausprobieren,
ob das gewisse Schwierigkeiten in der Schule beheben würde. Ich solle mir das so vorstellen wie ein Hilfsmittel. Einfach so, wie meine Brille, ohne die ich ja auch relativ hilflos wäre im
Alltag. Verweigert man seinem Kind Hilfe für den ohnehin schon schwierigen Alltag ... ?
Wir haben ohne eine Verschreibung für R. die Praxis verlassen und erstmal einen Beutel bunte Brausetabs erstanden. Als Belohnung für diesen echt anstrengenden
Tag.
Zwei Wochen später kam der Diagnostikbogen per Post, als letzter Satz war festgehalten, dass die Mutter sich nicht kooperativ zeigt für einen
Medikamenteneinsatz, Kopie an Kinderärztin, Kopie an Schule.
Was war eigentlich das Problem?
Unangepasstes Verhalten - ja, das kannte ich von zuhause. Wirklich, wirklich schwierig. Erst recht für Lehrer in der Schule, das gebe ich zu. Das dauerhafte
Verhandeln um Kooperation mit der steten Gefahr (die immer wieder auch Wirklichkeit wird), als Leitfigur zu scheitern, ist im Privaten schon zermürbend, in der Schule in ihrer derzeitigen
Form nicht leistbar. Aber was hätte Ritalin hier bringen können? - Ihn ein bisschen müde und so ein bisschen weniger widerspenstig machen? Das Kind runterdimmen?
Hohe Ablenkbarkeit, geringe Ausdauer/Konzentration. Seltsam, das kannte ich von zuhause überhaupt nicht. Mein Sohn war extrem ausdauernd, wenn er sich mit etwas
beschäftigte, was ihn packte. Er wirkte dann mitunter so tief versunken, dass ich mehrfach unseren HNO aufforderte, zusätzliche Hörfähigkeitstests durchzuführen, die wir aufgrund einer
familiären Veranlagung sowieso regelmäßig machten. Der Junge hörte wunderbar. Und er konzentrierte sich auch wunderbar.
Nur im schulischen Bereich wohl nicht so. Abhilfe konnte bringen, wenn er für ruhiges schriftliches Arbeiten einen eigenen Bereich für sich bekam, an einem
Tisch im Nebenraum arbeiten durfte oder einen eigenen Tisch in einer ruhigen Ecke des Klassenraumes bekam. Nur - das gestand man ihm genau zweimal für eine Übergangszeit zu, anschließend
sollte er wieder in die Gruppe integriert werden. Dort ließ er sich wieder ablenken. Angestrebte Lösung: Das Kind runterdimmen ...
Mittlerweile stehen wir beide auf Brause! ;)
Und vertiefen uns liebend gerne, am liebsten in ruhiger Umgebung, in Dinge, die uns fesseln, faszinieren und in ihren Bann ziehen. Dies erschaffen wir uns Tag
für Tag aufs Neue selbst. Unzensiert. Und ungedimmt.
Ein großer Vorteil von freiem Lernen!
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Tina (Mittwoch, 07 Februar 2018 10:12)
Auf den eigenen Bauch hören ist das Allerbeste... Die Schulschublade nimmt eben nur die mittleren Sardinen auf... die von oben und unten schon platt sind. Und genauso werden ja auch oft die Erwachsenen mit Antidepressiva ruhig gestellt, nicht wahr?! LG
PS: Wir mögen auch gerne Brause!
#feelfreetobefree (Anja) (Mittwoch, 07 Februar 2018 13:01)
Brause ist cool! :)
Ja, das ist die Krux an Schubladen - es muss irgendwie reinpassen. Das ist nicht einfach - für alle Beteiligten.