Schulfrei-Festival-Tour

In diesem Jahr sollte endlich klappen, was wir wegen unserer Frankreich-Tour im letzten Jahr nicht geschafft hatten - wir besuchten erstmalig das SCHULFREI-FESTIVAL . Und es war soooo toll!!!

 

Aber von Anfang an: Wir starteten, nachdem ich unser Wohnmobil, nun offiziell auf "Instabil" umgetauft, gerade noch rechtzeitig aus der Werkstatt zurückbekommen hatte, der 3. Werkstattbesuch seit der Italienfahrt (und der nächste steht wohl schon wieder an... :( ).

Drei Kids, drei Hunde und ich selbst als Organisatrice und Chauffeuse zogen am 2.9. nachmittags los, erst mal nur nach Bergisch Gladbach. Drei Hunde sind deutlich mehr als zweie, den Unterschied zu unserer Italienfahrt merkten wir auch sofort - Oldie Jasper blockierte gekonnt wieder mal jeglichen Durchgang im WoMo. Rica hatte ich schweren Herzens erstmalig in einer Pension untergebracht, für Oldie Jasper hatte ich keine Lösung finden können, er musste also wohl oder übel mit, das schon etwas klapprige Altertümchen.

Für diese Fahrt, die diesmal nur 10 Tage dauerte, hatte ich bereits vorab geplant und Stellplätze rausgesucht, da wir einige "Termine" hatten. Das ist schon ein ganz schöner Unterschied, ob man einfach in der Weltgeschichte rumtingelt und sich passende Plätzchen sucht, wie wir es bisher auf den Touren gemacht hatten, oder zu einem bestimmten Zeitpunkt irgendwo sein muß.

Die Auftaktveranstaltung bildete für mich selbst das Testkonzert der WiseGuys zu ihrer Abschiedstournee in Bergisch Gladbach. Nach einigem Irren und Wirren in grundverschiedene Richtungen und durch irgendwelche Industriegebiete mit dem extra mitgenommenem Fahrrad (für das Jaspers Hundebuggy zuhause bleiben musste), habe ich es dank freundlicher Hinweise von Einheimischen gerade noch rechtzeitig dorthin geschafft und zwar leicht verschwitzt, aber dennoch frohgemut das Konzert genießen können. Da die Stimmung im Konzertsaal von Anfang an ausnehmend gut war, fiel mein etwas derangierter Zustand nach dem 2. Lied auch schon nicht mehr auf. Ein wirklich tolles Konzert mit wunderschöner Lichtshow klang mit einem netten "Afterglow" aus - Eddi zauberte mir trotz spürbarer Erschöpfung nach dem Konzert sehr nett ganz stilecht noch ein Wohnmobil ins Buch :)

 

Die Kinder hüteten in der Zwischenzeit die Hunde, gingen Abendgassi mit ihnen und stiegen in die Wohnmobilatmosphäre ein, bis ich um kurz nach Mitternacht nach wiederum abenteuerlicher Fahrt wieder zurück war (zum Glück noch einen einsamen Hundegassigänger unterwegs getroffen, der mir flugs die richtige Richtung wies - das hätte sonst noch 'ne lustige Fahrradtour durch's dunkle Bergische werden können...) .

Am nächsten Tag mussten wir recht zügig los, was mir echt schwer fiel, denn ich hatte in unserer ersten Wohnmobil-Nacht nicht schlafen können, war wahrscheinlich zu aufgeputscht vom Konzert.

Trotzdem hieß es: Auf nach Schneverdingen, denn wir wollten am frühen Nachmittag das Infotreffen einer Gemeinschaft besuchen, die in der Lüneburger Heide eine Art alternatives Wohn- und Lebensprojekt mitsamt Freier Schule auf dem Gelände einer ehemaligen Waldklinik auf die Beine stellen möchte. Leider waren wir dank diverser Staus zu spät vor Ort, konnten aber noch an der Geländebegehung teilnehmen und bekamen viele Infos. Und den Eindruck - da ist aber richtig viel zu tun! Die vorhandenen Gebäude lagen größtenteils in Schutt und Scherben. Da muss sicherlich noch jede Menge Energie, Organisation und auch handfeste Arbeit hineinfließen, für uns leider momentan eine Nummer zu hoch, sind wir doch froh, wenn wir den ganz normalen Alltag irgendwie bewältigt bekommen. Energie habe ich leider keine mehr übrig, so toll und unterstützenswert ich solch ein Projekt auch finde. Abends gab es noch echt nette Lagerfeuer-Gespräche mit inspirierten und inspirierenden Menschen, wir berichteten ein bisschen von unserem schulfreien Leben, was auf interessierte Zuhörer traf.

Am nächsten Tag, der leider schwer verregnet war, ging es spätnachmittags weiter auf einen Stellplatz bei Egestorf, nur etwa 24 km entfernt, wo die Kinder am nächsten Tag den direkt angrenzenden Barfußpark besuchten und trotz grauen Nieselwetters Spaß hatten. Ich hütete derweil die Hunde, da wir den inzwischen ziemlich senilen Opa Jasper kaum mehr alleine lassen können, weil er sonst ununterbrochen heult (und dabei die beiden anderen ansteckt). Für solch ein Trio infernale hätten die Stellplatznachbarn vielleicht nicht ganz so viel Verständnis gehabt. Bisschen schade, wäre gern mit den Kids losgezogen, aber so ist es hier nunmal im Augenblick.

Tags drauf, die Sonne kam endlich wieder hervor und mit ihr auch meine Lebensgeister, fuhren wir die gut 200 km bis nach MecklenburgVorpommern auf einen wunderschönen Stellplatz "Alter Stall/Schwedenhof" bei Daschow mit sehr netter Gastgeberin, eigenem Honig, duftender Apfelbaumeinfahrt und goldigen Jungkätzchen. Ich habe an diesem Tag mal wieder gemerkt, dass ich doch ein echter Schönwetterfahrer bin - besonders je mehr Mitfahrer dabei sind, d.h. je weniger Platz im WoMo dem Einzelindividuum im Falle von Regenwetter zusteht. Und dann immer wieder mit den schon seit zwei Tagen durchnässten Schuhen mit den Hunden nochmal Regengassi - bäh!!! Im Sonnenschein sieht das alles dann schon wieder ganz anders aus :) .

Wir hatten eine ruhige Nacht und besuchten anderntags den Bärenwald Müritz, einen Tierschutz-Bärenpark, in dem Braunbären aus ehemals nicht so toller Haltung nun ein schöneres Leben führen können. Damit ich nicht wieder im Wohnmobil bleiben musste, haben wir alle drei Hunde mit in den Park genommen, angeleint ist das dort möglich. Der Karren, den ich extra für Jasper noch dazugemietet hatte, falls er schlappmachen sollte, wurde abwechselnd mal von Mia, mal von Jakob genutzt - Jasper hat prima durchgehalten :) . Die Kinder waren schon beeindruckt davon, mal Braunbären in echt zu sehen, doch blieb bei den - sicherlich notwendigen - hochsicherheitstraktähnlichen Einzäunungen troz allem der schale Geschmack von eingesperrten Tieren zurück. Besonders Mia lehnte dieses Gefühl ab, hier gefangene Tiere bei all ihren Aktivitäten anzustarren, auch wenn wir annahmen, dass einmal in Gefangenschaft gehaltene Bären in Freiheit wahrscheinlich nicht zurecht kommen würden bzw. eine Auswilderung vielleicht schlichtweg auch verboten sei - man erinnere sich nur an die Panik, die 2006 Braunbär Bruno auslöste, der nach Bayern eingewandert war und letztenendes erschossen wurde.

An diesem Abend nächtigten wir auf einem kostenlosen städtischen Stellplatz mit Ver- und Entsorgung, Duschen und Einkaufsmöglichkeit in Kyritz. "Kyritz an der Knatter", wie das gemütliche Städtchen dort im Volksmund heisst, weil früher die Mühlenwagenräder über das überall verlegte Kopfsteinpflaster so laut klapperten. Ist übrigens Geburtstadt von Carl Diercke, der von den Atlanten...

Die Nacht war dank Hauptstraße zwar nicht so ruhig wie die vorherige, aber es waren nur 300m Fußweg ins Zentrum, was auch mal eine nette Erfahrung war, da wir sonst meist wegen der Hunde ganz abgelegene Stellplätze aufsuchen. So schlenderte ich abends noch mit Mia durch's dunkle Städtchen, wo trotz des warmen Wetters so gar nichts mehr los war und am nächsten Morgen mit Janko gleich nochmal.

Am nächsten Morgen nutzen wir auch die öffentlichen Duschen, denn auch die zahlreichen Werkstattbesuche konnten uns diesen Luxus bisher noch nicht bescheren - Duschmöglichkeit im WoMo. Anschließend Einkauf - Vorräte auffüllen für die nächsten 5 Tage, denn nun geht's los zum Schulfrei-Festival.

Nach Um- und Um- und Umleitungen in Kyritz sind wir irgendwann endlich auf der Strecke und finden das weitläufige Festival-Gelände problemlos, bleiben dann allerdings mit dem WoMo erstmal im sandigen Acker stecken, weil wir uns nicht entscheiden können, wo wir uns in dem schon zu erahnenden Trubel mit den Hunden am besten installieren sollen. Zum Glück kommt direkt ein erprobter Allradfahrzeugbesitzer auf uns zu und bietet an, uns da wieder rauszuziehen. Das nehmen wir dankbar an  (Vielen lieben Dank nochmal :) !) und positionieren uns etwas abseits hinter ein lauschiges Kiefernwäldchen. Macht zwar unseren Anmarsch ans Gelände etwas länger, hat aber den Vorteil von Schatten bis um ca. 17 Uhr, was für die Hunde wichtig ist, da es an dem Wochenende richtig heiss werden soll.

Wir als absolute Festival-Neulinge sind echt beeindruckt von den vielen tollen Wohnmobilen, Wohnlastern & Co., die da bunt durcheinander herumstehen, unzählige Zelte dazwischen, Kinder wuseln umher, Familien sitzen auf Picknickdecken im Kiefernwäldchen, einzelne Hunde, zumeist angeleint, dabei, überall Stimmengewirr und stets ein netter Gruß, wenn man aufeinander trifft. So bunt wie die Schar an Menschen, die sich hier trifft, so bunt ist auch das Programm auf dem Festival, angefangen mit vielen tollen Workshops wie Bumerangbau, Acro Yoga, Alexandertechnik, Wildkräuterwanderung, Fotografie, Filzen, Origami, arbeiten mit einer Wippdrechselbank über interessante und informative Vorträge im Konferenzsaal bis hin zu kreativen Vorführungen wie einer Trapezshow, das abendliche Musikprogramm und den sehr berührenden Poetry Slam, auf dem auch Mia zum ersten Mal einen ihrer selbstgeschriebenen Texte vorträgt.

Besonders interessant finde ich persönlich die Gesprächsrunde mit den jungen Menschen, die sich (zeitweise) schulfrei gebildet haben. Bei keinem von ihnen kommt das Gefühl auf, irgendetwas, irgendein wichtiger Bildungsbaustein würde "fehlen", bei allen spricht Gelassenheit, Selbstbewusstsein und Optimismus aus ihren Antworten auf die interessierten Fragen der Anwesenden.

Unsere ausrangierten Kinderbücher, die wir auf einem Tischchen kostenlos zum Mitnehmen anbieten, finden anscheinend Anklang und so haben wir zum Schluss des Festivals nur noch ein einziges Buch vom dicken Karton übrig. Schöner Gedanke, dass die Bücher nun in alle Himmelsrichtungen unterwegs sind und kleinen Leseratten Freude machen :)

Da Janko, Mia und Jakob vom Anhalten auf dem Stellplatz bis tief in die Nacht verschwunden sind, gleich Anschluss an andere Jugendliche gefunden haben und mit ihnen umherziehen, chillen und sich austauschen, muss ich häufig zwischen Wohnmobil/Hunden und dem Gelände umherwandern, zusätzlich noch mehrfach täglich die Hunde im nahen Wald ausführen und habe nicht so viel Gelegenheit, selbst ins Gespräch zu kommen oder an Programmpunkten teilzunehmen. Dennoch - ich sauge das bunte Treiben immer wieder in mich auf - das Gefühl, einer unter vielen Gleichgesinnten zu sein, nicht der im besten Falle belächelte Exot in der Masse, tut verdammt gut.

Ein Leben ohne Schulzwang, das ist es was die Menschen hier zusammenkommen und sich fröhlich austauschen lässt. Es tut ebenfalls verdammt gut, nach nun einem Jahr ohne Schule und entsprechenden Sorgen, die man sich dann doch so macht als Mutter, erst recht in der entsetzlichen Erschlaffung, in der sich so mancher ehemalige Schüler beim Deschooling befindet, und der manchmal echt hilflosen anschließenden Phase der Orientierungsversuche, zu sehen, dass es anderen genauso ergangen ist und dass sie irgendwann doch ihren Weg gefunden haben. Das ist gerade Gold wert für mich!

Und dass die Kids so unermüdlich auf dem Gelände unterwegs sind, freut mich so sehr, denn "Real-Life"-Kontakte waren im letzten Jahr doch etwas rar gesät. Jakob, der eigentlich gar nicht mitfahren wollte, weil er Scheu hatte vor so vielen fremden Menschen, ist schließlich derjenige, der als allerletztes um kurz vor zwei Uhr nachts am Wohnmobil auftaucht und am Schluß des Festivals betont, dass er im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder hierher möchte und ganz allein dafür hat sich diese Fahrt echt schon gelohnt :) .

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Annette (Ati) (Donnerstag, 29 September 2016 11:39)

    Hi, Ihr Lieben, liebe Anja, wieder ein ganz toller Artikel, sehr ausführlich und informativ für jemanden wie mich! Du mußt unbedingt ein Buch aus all' diesen Artikeln machen - Deine Schreibe ist Klassse!
    Das Mia und Jakob sich so prima beteiligt haben, finde ich auch sehr positiv! Ich wünsche Euch allen weiter so viel gute Erfahrungen, und der Mutter Zuversicht und Geduld!
    A propos: Welchen Text hat Mia vorgetragen? Lieben Gruß, Ati.