Mit einem Uralt-Wohnmobil auf Tour

Foto: Janko Möbes

Wer, der überhaupt gar nicht gerne Auto fährt, schon gar nicht in fremden Gegenden, null Orientierungssinn besitzt und technisch nicht wirklich versiert ist, kommt schon auf die Idee, eine längere Wohnmobilreise im dafür angeschafften Wohnmobil-Oldie zu unternehmen?

Das hab'ich mich selbst schon häufiger gefragt und diese Frage glitzert, nun auf Tour und mit den ersten Zipperlein unseres WoMos in Kontakt getreten, immer wieder mal heimtückisch in meinem Hinterkopf.

Es schien uns im Frühjahr diesen Jahres keine wirklich andere Lösung zu geben für ein schulfreies Leben, als Deutschland sporadisch zu verlassen. Häuser mieten irgendwo - zu teuer und mit vier Hunden schwierig. Also: Unser eigenes Häuschen mit uns führen, in dem alle ihr begrenztes, aber dennoch eigenes Plätzchen hätten und wir frei entscheiden könnten, wo es uns gefiele und wir ein Weilchen bleiben wollten. Monatelang hatte ich dazu Wohnmobilgruppen und -foren studiert, Verkaufsanzeigen gelesen und verglichen. Klar war: Die Finanzen lassen, wenn überhaupt, nur ein heute wohl steinzeitlich anmutendes Gefährt zu (tatsächlich haben wir in drei Wochen Frankreichfahrt bislang nur zwei ähnlich betagt aussehende Gebilde gesehen). Klar war auch - das bedeutet Abstriche an Komfort und Einrichtung, das war uns egal, aber rollen sollte es schon zuverlässig.

Die Wahl fiel also auf einen FiatDucato 2,5l TurboDiesel, Alkoven von 1992. Dass der Verkäufer selbst den Wagen nur drei Monate lang nutzte und irgendwie enorm viel schwatzte, bereitete mir zwar zwei schlaflose Nächte, aber dennoch sah der generalüberholte Motor und die Karosserie ganz gut aus und die Aufteilung im Wohnraum passte, so dass wir uns nach einer Bedenkzeit zum Kauf entschlossen.

Nach der ersten Erkenntnis, zuhause angekommen, dass die Dusche zwar wasserversorgungstechnisch funktionierte, aber das Abwasser munter in unsere Einfahrt plätscherte aus irgendwelchen undefinierbaren Verkleidungsnischen am WoMo-Boden und sich der Zustand auch nicht beheben ließ, ohne den Grauwassertank abzunehmen, kaufte ich schlicht zwei Solarduschbeutel, das müsste erst mal reichen, wir wollten ja auch Meer, Seen und Flüsse besuchen und die kombinierte Klo-/Duschkabine war eh ziemlich eng.

Mit Außenstrom aus unserer Garage gepimpt, klappte sowohl der Kühlschrank- als auch der Klimaanlagentest, alles bestens :) . Nach drei Wochen ohne Außenstrom allerdings war das WoMo nicht mehr zu starten - hmm, angeblich sollte doch die Starterbatterie gar nicht so alt sein, ich schaute in der Mappe nach den Rechnungen, die mir der Vorbesitzer beim Besichtigungstermin gezeigt und mitgegeben hatte. Echt seltsam - ein plötzlicher Dokumentenschwund - es war keine Batterierechnung mehr auffindbar... Der erste Werkstatttermin stand an, aufgeladen mit Garagenstrom, damit ich bis dorthin käme, fand der Werkstattbesitzer zunächst nichts dramatisch Auffälliges. Nach zwei Tagen Trennung vom Stromnetz fiel dann aber erneut auf, dass das WoMo so nicht losfahren würde, also wieder einen Termin, neue Batterie eingebaut und eine der Batterieschellen erneuert, ebenso zur Sicherheit einige rissige Kraftstoffschläuche und den verbrauchten Kraftstofffilter. Jetzt sollte unserer Abfahrt aber echt nichts mehr im Wege stehen. Na, dann mal los...

Schon nach 15 Minuten Fahrt auf der belgischen Autobahn rappelte alles gewaltig (wie man es von belgischer Autobahn durchaus auch im PKW kennt, nur eben lauter und mit gut zwei Tonnen mehr Wumms dahinter ;-) ). Ein kurzer Aufsetzer bei einer vorher nicht erkennbaren Bodenwelle und die Rückfahrkamera hatte kein Bild mehr. Naja, nicht so schlimm, wir haben ja Außenspiegel.

In den ersten vier Tagen stellte sich dann heraus, dass der Kühlschrank ausschließlich während der Fahrt auf 12V funktionierte, da der Gasbetrieb irgendwie nicht zünden wollte (zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht ausgeschlossen, dass wir einfach nur nicht kapieren, wie man den anschmeißt) und wir keine Elektrozufuhr von außen nutzen, daher funktioniert auch die Klimaanlage nicht, die Griffe vom Heckdachfenster brachen einer nach dem anderen ab, so dass ich es mit vorsichtshalber mitgenommenem  (man weiß ja nie) Silikon schlichtweg von außen zuklebte, wir hatten ja noch zahlreiche andere Fenster zur Belüftung (etwas später folgte dann ein Griff des Alkovendachfensters, aber der andere hält tapfer durch, so dass wir es immerhin HALB öffnen können). Im Kloraum, fiel uns der Griff des Belüftungsfensters in schöner Regelmäßigkeit - nein, glücklicherweise nicht in die Schüssel, sondern auf den Kopf, so dass der Griff einfach auch mit Silikon fixiert wurde, ebenso wie der Rahmen des vorderen Dachfensters, dessen Schrauben einfach nicht in den Dachplatten halten wollten. Eine der protzig ältliche Felgen kaschierenwollenden, chromglänzenden Radkappen hatte auch bereits den Abgang gemacht, ich hoffe wirklich, sie hat auf ihrem Weg keine größeren Opfer gefordert. Zunächst überlegte ich, alle anderen Radkappen schlicht auch zu entsorgen, da sie sich aber ganz schön als Trommelgrundlage eignen für musikalische Momente, dürfen sie erst mal weiter mitfahren.

Kühlschranktechnisch mussten wir flugs umdisponieren, was die Haltbarkeit unserer Einkäufe anging, gewannen dadurch aber ganz erstaunliche Erkenntnisse: Gouda z.B. hält sich mit einigen Stoßkühlungen und sonstigen Temperaturen von 20-30 Grad bis zu zwei Wochen ohne zu schimmeln :-)

 

Sind eigentlich in neueren Wohnmobilen größere Fäkaltanks verbaut? Bei voller Benutzung müssen wir jeden Tag leeren, sonst drohen Überflutungen bei größeren Bodenwellen (hatten wir bislang dank sorgsamer Logistik zum Glück noch nicht) , vorne im Fahrerhaus ist dann die aromatische Bedunstung bei geöffneten Fenstern gut aushaltbar, jedoch die bedauernswerten Mitreisenden im Wohnaufbau wären gut vorbereitet für einen Job bei den städtischen Klärwerken.

Eines schönen Tages in unserer dritten Reisewoche fiel beim Abstellen des Wohnmobils urplötzlich der komplette Strom im Wohnaufbau aus, die kids konnten ihre elektrischen Spielereien nicht mehr laden und leider funktionierte auch keine Wasserpumpe mehr, so das wir weder an Waschbecken noch aus der Klospülung fließend Wasser hatten. Nach dem ersten Entsetzen fiel Janko genialerweise ein, dass wir ein Frischwasserablaßventil am Unterboden des WoMos auf der Beifahrerseite haben, aus dem das Wasser je nach Stimmung auch mal träge tröpfelt bzw. munter fließt. Wir verbrachten also die weiteren fünf Tage damit, für Spülen, Klospülen und Zähneputzen mit einer Schüssel bewaffnet unter dem WoMo Wasser zu zapfen. Es ist ganz erstaunlich, mit wie wenig Brauchwasser man auskommen kann, wenn es nicht anders geht. Das hat tatsächlich auch Einfluß genommen auf mein Verhalten im Haus, wo man gedankenlos wie früher den Wasserhahn öffnen und fließen lassen könnte, aber es ist schon möglich, den Wasserverbrauch ganz bewusst einzudämmen.

In zehn Tagen haben wir einen Termin bei einer Werkstatt, um checken zu lassen, ob die 12V-Batterie hinüber ist oder sich bloß irgendein Kabel losgerattert hat, dies wollte ich nicht unterwegs machen, da der Innenraum des WoMos dafür natürlich frei sein muss und wir ansonsten in Blois oder sonstwo mit vier gestressten Hunden im Werkstattgelände hätten warten müssen.

Unsere immer noch wild entschlossen gute Stimmung drohte einen kleinen, ganz kurzen Moment lang zu kippen, als nach drei Tagen Wassernutzung aus dem Ablaßventil wir kurz auf einem Rastplatz hielten, um unseren Müllsack in einer Tonne zu entsorgen und das WoMo anschließend nicht mehr anspringen mochte. Ein kurzes Aufbrummen, dann war die Batterieanzeige auf Null. Das darf doch wohl nicht wahr sein, die Starterbatterie war ganz neu! Puh! Und jetzt? Ok, Handy und Versicherungsnummer gezückt. Dann die im wahrsten Sinne des Wortes zündende Idee: Wir schau'n mal unter die Motorhaube... Zwar keine Ahnung, aber ein Blick kann ja mal nicht schaden. Und Janko und ich ertappten und beseitigten den Störfaktor in einer einer wahrhaft triumphalen Aktion: Die neue Batterieklemme hatte sich während drei Wochen Tour gelockert und lag nur noch lose auf dem Pol auf - aufgeschraubt, richtig angelegt, zugeschraubt, und die Fahrt konnte weitergehen. Im Inneren des Wohnmobils erstickten Mia und Jakob unterdessen fast an einem Lachflash - Erkenntnis: Zu viele Kleinkatastrophen fördern anscheinend den Sinn für Humor.


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Kommentare: 3
  • #1

    Malinka (Mittwoch, 02 September 2015 12:17)

    Schön geschrieben, ihr habt Mut, Durchhaltevermögen und Humor bewiesen, damit den Ritterschlag für die Freilernerei erhalten! ;-)

  • #2

    Rebekka (Mittwoch, 02 September 2015 19:54)

    So kenne und liebe ich dich Anja! Bitte mach ein Buch daraus, das ist besser als Hape bin mal weg! Schöne Auszeit und auf ein Wiedersehen rebekka

  • #3

    Nik (Donnerstag, 03 September 2015 09:57)

    Super interessant mal wieder, vielen Dank! So ist das mit den alten Teilen ... immer wieder Überraschungen. Und mit den abfallenden Griffen kommt mir sehr bekannt vor.
    Unser Fiat Ducato von 1987 springt ebenfalls immer mal wieder nicht an. Wir müssen dann während des Zündens kurz auf den Anlasser klopfen (schwarzes Teil, von unten erreichbar) und dann geht es ... klingt verrückt, ist aber wohl normal. ?!
    Alles Gute für die weitere Zeit!